Ich habe eine ganze Zeit darüber nachgedacht, ob ich etwas zu dem Thema schreibe und nach langem Hin und her, habe ich mich schließlich dazu entschieden, mich doch dazu zu äußern.
Wenn ihr meine Seite verfolgt oder abonniert habt, dann wisst ihr, dass ich Autorin bin und bereits einen Fantasy-Roman veröffentlicht habe. Allerdings bin ich ein sehr kleines Licht im großen Pool der Autoren und Blogger. Sehr klein, um genau zu sagen, und mit einem einzigen Roman bin ich auch noch relativ neu in der Branche. Dennoch höre ich mich viel um. Ich besuche die Messen, habe viele Buchblogger abonniert, folge Autoren und sehe mir gerne Reviews von den so genannten Booktubern an oder lese Blogartikel. Zum Einen, um eine andere Meinung zu einem bestimmten Buch einzuholen, zum Anderen, weil man so sehr viel lernen kann. Besonders, was die Wahrnehmung der Leser angeht: Worauf achten sie, was ist ihnen wichtig, worauf kommt es ihnen an? Was mir besonders bei diesen Artikeln auffällt, ist, dass sich manche Leute im Netz in der ‚political correctness‘ regelrecht suhlen oder sich zu ‚Social Justice Warriors‘ aufschwingen und Bücher gerne in Grund und Boden kritisieren. An mancher Stelle ist dies durchaus gerechtfertigt, an anderer Stelle sollte man die Kirche im Dorf lassen und nicht aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Ich weiß, dass verschiedene Personengruppen auf bestimmte Themen empfindlich reagieren und entsprechende Kritik äußern – und auch das kann gerechtfertigt sein. Die Kunst ist, das richtige Maß zu erkennen und zu wissen, wann Kritik in welchem Rahmen angebracht ist. Ebenso sollte man deutlich machen, wann etwas lediglich die eigene Meinung/eigene Interpretation von etwas ist. Aber gerade das scheint sehr vielen schwer zu fallen und so werden Bücher und ihre Inhalte oftmals aus dem Kontext gerissen und die Autoren werden als die größten Übeltäter der Welt abgestempelt. Ich habe schon davon gelesen, dass auf diese Art das Privatleben von Personen zerstört wurde, sie gezwungen waren ihre Bücher vom Markt zu nehmen oder sie das Schreiben gleich ganz aufgaben. Wegen einer sprichwörtlichen ‚Mücke‘. Dazu möchte ich sagen, dass Kritik natürlich immer angebracht ist und perse nicht immer negativ ist. Aber man sollte stets das Gesamtbild betrachten. Womöglich ist sich ein Autor nicht darüber klar, was er oder sie verzapft und wie sein Werk auf andere wirkt. Schauen wir uns doch mal ein paar Beispiele an, von denen ich gelesen habe (und anonymisiert habe, um nicht auszuschweifen)
Nummer 1: Autor A wird kritisiert, ein Thema in seinem Romanen nicht gut recherchiert zu haben und es dadurch in ein negatives Licht zu stellen.
Nummer 2: Autor B hat in seinem Romane zwei Figuren, die sich über eine dritte Figur lustig machen. Besagte dritte Person ist als Asiate gecodet. Dieses Szenario ist rassistisch, weil ein Asiate (eine Minderheit) beleidigt wird. Folglich ist Autor B ein Rassist.
Nummer 3: Autor C hat in seiner Geschichte hauptsächlich Heteropaare und einen Crossdresser. Dies wurde als problematisch eingestuft und er wurde als homophob und transphob dargestellt.
Wenn man sich diese Beispiele ansieht, wird glaube ich klar, worauf ich hinaus möchte. Die Frage ist, wann ist Kritik legitim und wann sprengt sie den Rahmen. Darf man eine Person persönlich angehen, wenn man ihr Werk auf bestimmte/ andere Art interpretiert, als ursprünglich vorgesehen? Darf man diese Interpretation als Fakt hinstellen und behaupten, dass der Autor Botschaft X in seinen Entscheidungen/Figuren/Szenarien versteckt? Oder wird hier mit einem bestimmten Filter gelesen, überinterpretiert und sofort der Teufel an die Wand gemalt?
Ist es legitim zu behaupten, Autor A hat nicht richtig recherchiert?
Ist es korrekt, zu behaupten Autor B ist ein Rassist?
Ist es in Ordnung, zu behaupten, Autor C ist homo- und transphob?
Ist es in Ordnung, unter dem Deckmantel der Anonymität, Behauptungen zu verbreiten, die sich nicht oder nur bedingt nachweisen lassen? Besonders, wenn man die Autoren persönlich gar nicht kennt?
Die Antwort auf diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten und natürlich interpretiert jeder Leser ein Werk auf andere Weise, abhängig von seiner Herkunft, seinem Umfeld usw. Das ist ganz normal und auch nicht das Problem. Dennoch sollten die Leser auch im Kopf haben, dass Autoren nur Menschen sind. Manche machen ungewollt Fehler oder recherchieren fehlerhaft. Aber ebenso kann und darf ein Autor Themen in seinen Bücher aufgreifen und verarbeiten, die zB unmoralisch sind. Etwas, das man früh lernt, wenn man sich mit dem Schreiben auseinandersetzt, ist, dass ein Autor nicht mit seinen Figuren gleichzusetzen ist oder die Szenarien gut findet, die in die Geschichte eingebunden werden. So wie ein Schauspieler nicht mit der Rolle gleichzusetzen ist, die er in einem Film darstellt.
Hat Autor A das Thema wirklich unzureichend dargestellt? Wenn, ja, hätte das durch Recherche schlicht vermieden werden können.
Ist Autor B ein Rassist, wenn seine Figuren sich rassistisch verhalten? Nein. Aber er sollte aufzeigen, dass dieses Verhalten falsch ist.
Ist Autor C homophob, weil er keine homosexuellen Paare in seiner Story hat? Nein, auch wenn es vielleicht wünschenswert gewesen wäre, denn Diversität ist heutzutage gewollt.
Fällt ein Autor jedoch in irgendeiner Weise negativ in der Öffentlichkeit auf oder äußert sich entsprechend abwertend, ist das natürlich etwas anderes. Aber auch hier gilt: Vorsicht. Denn ein weiteres anderes Problem, das in Zusammenhang mit negativer Kritik und Überinterpretation steht und weitaus schlimmere Folgen haben kann, stellen (so sehr ich diesen Begriff auch verabscheue) Fake-News, Lügen und Gerüchte dar. Das Internet ist ein Ort, das viele Möglichkeiten bietet. Leider bietet es auch jedem eine Plattform, seine Ansichten ungefiltert zu verbreiten. Auch wenn viele Seiten mittlerweile verlangen, dass man seine Identität auf irgendeine Art bestätigen muss, gibt es noch genügend Leute, die sich unter dem Denkmantel der Anonymität tummeln, Lügen verbreiten und ihre Interpretationen als bestätigte Fakten darstellen. Dadurch diffamieren sie einen Autoren oder sein Werk böswillig und gezielt und die Grenzen zwischen freier Meinungsäußerung, Interpretation und Hetze werden dabei immer dünner. Das hat dann nichts mehr mit Kritik am Inhalt zu tun, am Schreibstil, Grammatik, Plotholes, an mangelnder Recherche usw. Dann ist es keine Kritik mehr, dann ist es Rufmord und das ist strafbar. Worauf es wirklich ankommt, ist, dass man nicht wie ein Schaf der Masse hinterher rennt. Wie oft habe ich schon gelesen: „Buch soll so schrecklich sein, weil Person X das behauptet hat. Gelesen habe ich es nicht, aber wenn X das sagt, muss es so sein!“ In dem Moment ist man ein Schaf. Es ist wichtig, sich seine eigene Meinung zu bilden und nicht einfach nachzuplappern und auf Gerüchte zu hören. Denn Gerüchte und Interpretationen sind keine Fakten. Sie sind Mutmaßungen, Schätzung und niemals die 100%ige Wahrheit. Darum ist es wichtig, sich zu informieren. Das ist das Beste, was ein Leser tun kann: Informationen einholen, den Autoren selbst anschreiben und das Werk, um das es geht, selbst begutachten. Ist man unsicher, ist es das Beste, man wird aktiv und meldet sich bei dem Autoren oder dem Seitenbetreiber. Fakeprofile oder Hater- Nachrichten sind meiner Meinung nach sowieso grundsätzlich als skeptisch anzusehen. Man sollte sie melden, da sie verboten sind und man sollte besagte Personen blockieren. Tut man dies nicht, gibt man solchen Leuten eine Plattform und das sollte unterbunden werden. Das ist, was ein Leser oder Blogger tun kann.
Aber was kann ein Autor tun, wenn er in so eine Situation gerät? Wenn sich Gerüchte verbreiten oder sein Werk komplett aus dem Kontext gerissen wird? Viele Möglichkeiten bleiben ihm nicht, da aus jeder Reaktion (die falschen) Schlüsse gezogen werden können. Geht er darauf ein, rechtfertigt er sich. Wieso muss er sich rechtfertigen, ist am Gerücht etwa etwas dran? Geht er nicht darauf ein, hat er nichts zu sagen. Ist das etwa eine Bestätigung? Dann kann man getrost die Gerüchteküche weiter anstacheln. Letzteres gilt dabei als ‚professionelles Verhalten‘. Man steht über den Behauptungen und ignoriert sie. Man bietet keinen Zündstoff, um das Feuer anzufakeln … Der Nachteil hierbei ist, man wehrt sich nicht.
Für viele Autoren ist das eigene Buch etwas sehr Persönliches. Wie kann man es also nicht persönlich nehmen, wenn über das eigene Werk oder die eigene Person Gerüchte oder haltlose Kritik verbreitet werden? Professionalität ist wichtig für das Image eines Autors, aber irgendwann muss auch Schluss sein. Alles muss man sich nicht gefallen lassen. Man sollte ein Statement abgeben, wenn etwas über einen kursiert oder wenn das eigene Buch in die Kritik gerät. Wieso auch nicht? Es kann helfen, dass Missinterpretationen geklärt werden, es kann das Verständnis zwischen Leser und Autor verbessern, es kann einem naiven Autor die Augen öffnen. Es kann böswillige Unterstellungen aus dem Weg räumen. Dass Bücher anders interpretiert werden, als vom Autor gedacht, kommt oft vor, aber wieso sollte der Autor darauf nicht eingehen? Solange keine Seite ausfallend wird, kann ein Dialog entstehen und das hat meiner Meinung nach keinerlei Auswirkungen auf die Professionalität des Autors (solange daraus keine Schlammschlacht auf FB oder in den Kommentaren in Foren oder den Rezessionsfeldern wird).
Natürlich werden einige denken: „Ich habe jawohl das Recht auf freie Meinungsäußerung und wenn ich so denke, dann ist das auch so! Und wenn ich etwas gut/schlecht/mittelmäßig/problematisch finde, dann sage ich das auch. Und ich schmiere niemandem Honig ums Maul und rede Tacheles.“ Das ist schön und gut, aber auch hier gilt: die eigene Meinung und eigene Interpretation ist genau das: subjektiv. Der Ton macht die Musik und auch wenn man sich nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzt, sollte man ein wenig Respekt und Höflichkeit aufbringen. Manieren sind etwas, auf das im Netz immer weniger Wert gelegt wird, aber das ist eine andere Geschichte.
Kritik ist wichtig und gut. Sie sollte ernst genommen, aber auch hinterfragt werden. Anonymen Fakeprofilen sollte weder Glauben noch Raum geschenkt werden, denn wer sich hinter der Anonymität versteckt, hat etwas zu verbergen und nicht den Schneid, die Konfrontation zu suchen. Es ist einfach, seine Meinung vom Bildschirm aus aufzuschreiben und im Netz zu verbreiten. Aber oftmals wird vergessen, dass hinter den Bildschirmen reale Menschen sitzen. Dass hinter einem Buch ein realer Mensch sitzt. Würde man dieser Person im realen Leben gegenübertreten, würde man ihr immer noch das sagen, was man im Internet über sie sagt?
Nichts, rein gar nichts, rechtfertigt, Gerüchte zu verbreiten oder eine Person zu diffamieren. Interpretiert man ein Werk anders, als es geplant war, kann man das diskutieren, sollte die eigene Meinung aber nicht als Fakten hinstellen. Und der Grund, wieso ich dieses Thema aufgreife, ist, das mir selbst kürzlich etwas Ähnliches passiert ist und das hat mich nachdenklich gestimmt. Darum fühlte ich mich angehalten, ein paar Worte über dieses Thema zu verlieren.So großartig das Internet ist, so widerlich ist es, wenn man es ausnutzt, um andere in irgendeiner Weise, ohne Sinn und Verstand, aus Böswilligkeit oder weil man ihnen etwas nicht gönnt, fertig machen zu wollen. Das ist – und jetzt wird es indiskret – feige und unter aller Sau.
Recht machen kann man es niemandem zu 100%, jeder nimmt Dinge anders wahr, aber ein offener Dialog zwischen Autor und Leser, ein Austausch, ist für alle Seiten bereichernd.